Therese Mülhause-Vogeler

Frankfurter Pionierin der Freikörperkultur

„Die Ergebnisse der Besinnung auf das Erlebnis der Nacktheit in der Natur mußten in etwa auf die gleichen Forderungen herauskommen, die in der Formel vom Hohen Meißner genannt werden: Gestaltung des Lebens aus eigener Bestimmung, in eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit.“

MÜLHAUSE-VOGELER, Therese, Wandervogel und Freikörperkultur, in: der ruf, 10/1963

Therese Mülhause-Vogeler (1893-1984) war eine der führenden Vertreterinnen der Freikörperkultur in Deutschland und Europa. In den 1930er Jahren saß sie im Vorstand des Reichsverbands für Freikörperkultur. 1931 wurde sie außerdem Sekretärin einer Gemeinschaft aus FKK-Anhängern verschiedener europäischer Nationen, die sich als „Europäischen Union für Freikörperkultur“ (EUFK) bezeichneten. Später war sie deren Vizepräsidentin.[1]

Therese Mülhause-Vogeler in den 1920er Jahren. ©️ Privatrecht der Familie Mülhause, kein Recht auf Vervielfältigung oder anderweitige Nutzung (Nutzung für diese Website mit freundlicher Genehmigung der Angehörigen)

Frühe Jahre und Umzug nach Frankfurt

Bis 1922 hatte Mühause-Vogeler in Berlin als Lehrerin gearbeitet. Nach ihrer Hochzeit mit Johannes Mühlhause 1922 zog sie nach Frankfurt, wo sie den Lehrberuf aufgab und als Autorin und Schriftstellerin arbeitete. 1984 verstarb sie. Mit der Freikörperkulturbewegung in Kontakt kam Mülhause-Vogeler durch ihren Ehemann, der Mitglied der Berliner FKK-Bewegung war. Mit ihm hatte sie zwei Kinder – einen Sohn und eine Tochter.

Therese Mülhause-Vogeler engagierte sich schon in jungen Jahren in unterschiedlichen Bereichen der Jugendbewegung und der Lebensreformbewegung. So war sie von 1919 bis 1921 Mitglied im Kronacher Bund Berlin (Gruppe Südwest) sowie von 1921 bis 1925 Mitglieder der Frankfurter Wandervögel Völkischer Bund. Dem FKK-Bund Orplid in Frankfurt und Darmstadt trat sie 1925 bei. Die Frankfurter FKK-Anhängern hatten sich anfangs mit den Darmstädtern getroffen und sich Ende der 1920er Jahre selbstständig gemacht. Therese Mülhause-Vogeler übernahm 1932 den Vorsitz in der sogenannten „Liga für freie Lebensgestaltung Orplid Frankfurt“ und wirkte dort bis 1933. Als der Orplid nach der nationalsozialistischen Machtergreifung gleichgeschaltet wurde, trat sie aus.[2]

Politische Einstellung

Die FKK-Vereine gingen in die nationalsozialistischen Sportvereine über. Mülhause-Vogeler distanzierte sich vom „Bund für Leibeszucht“, dem nun andere FKK-Anhänger beigetreten waren. Zu ihren Gründen sagte sie:

»Freikörperkultur ist an sich eine Einstellung, die nicht durch rassische Eigentümlichkeiten irgendwie beeinträchtigt werden kann. Die Frage, die sich bei der Aufnahme neuer Menschen in einen Kreis Freikörperkulturtreibender ergibt, sollte daher nie eine Frage nach der Rasse, sondern nur eine Frage nach der Charakterwertigkeit der Menschen sein.«

MÜLHAUSE-VOGELER, zitiert n. fkk-museum

Politisch stand Mülhause-Vogeler auf Seite der Sozialdemokraten. Als junge Frau trat sie in die SPD ein. Hauptsächlich wirkte sie jedoch in der Lebensreformbewegung und in dieser maßgeblich in der Freikörperkultur. Als Autorin schrieb sie Essays in einschlägigen FKK-Zeitschriften wie „Lichtland“, „Die Freude“ und „Lachendes Leben“. Außerdem hielt sie Werbevorträge und veröffentlichte Bücher und Essays zum Thema Freikörperkultur. Auch in der Frankfurter Wochenschau war sie zu lesen.

Ämter in und um Frankfurt

1932 wurde Therese Mülhause-Vogeler zur Vizepräsidentin der selbsternannten „Europäischen Union für Freikörperkultur“ gewählt. Die EUFK setzte sich aus Vertretern der Freikörperkultur in Deutschland, England, den Niederlanden, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Ungarn und Italien zusammen. Ein erstes Treffen fand 1930 (noch vor der offiziellen Gründung der EUFK) in Frankfurt statt.

In ihren späten Lebensjahren setzte sich Mülhause-Vogeler für die Jugendarbeit der Freikörperkulturbewegung ein. Sie war Mitglied im Ortsring Frankfurt der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein. Die Vereinigung fördert laut eigener Satzung die Jugendarbeit und Jugendbildung im Sinn der deutschen Jugendbewegung. Sitz der Vereinigung ist die Burg Ludwigstein in Witzenhausen, in der sich auch das Archiv der deutschen Jugendbewegung befindet.[3]

Therese Mülhause-Vogeler beschrieb ihre beiden Leidenschaften – die Wandervogelbewegung (sie war Mitglied im völkischen Bund der Wandervögel, Ortsgruppe Frankfurt) und die Freikörperkultur – rückblickend 1963 in der Zeitschrift „Der Ruf“:

Wenn man die ersten Träger beider Bewegungen zeitlich in Beziehung setzt, so wird man feststellen können, daß hier fast gleichzeitig und zunächst ohne Beziehung zueinander ein Aufbruch aus der bürgerlichen, etwas dumpf gewordenen Atmosphäre der letzten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts erfolgte, ein aktiver Widerstand gegen eine Lebensform, die man allmählich als unwahr und unfrei zu empfinden begann, als Unnatur. Es ergab sich daher als – unbewußt gezogene – logische Folgerung, daß man sich den Quellen des Lebens wieder zuwandte, die davon frei zu machen geeignet erschienen, – der Natur in ihren Erscheinungsformen: der Landschaft, der Pflanze, nicht zuletzt aber auch dem Leib des Menschen.

MÜLHAUSE-VOGELER, Therese, Wandervogel und Freikörperkultur, in: der ruf, 10/1963

In dem mehrseitigen Artikel beschreibt sie die Erlebnisse der Jugend der Zwischenkriegszeit – vor allem der Bündischen Jugend in ihren vielfältigen Formen. Die aus dem Ersten Weltkrieg Heimgekehrten hätten sich zu Bünden zusammengeschlossen, Sonnenwendfeste gefeiert, Volkslieder gesungen und im Freien übernachtet. Dazu habe auch das Schwimmen und Luftbaden ohne Badezeug gehört. Über die Anfänge der Freikörperkultur schreibt Mülhause-Vogeler:

Unabhängig von diesem Aufbruch des Wandervogels und verwandter Bünde in der Freiheit entstand aus ähnlichen Wünschen und Strebungen an [sic!] anderes Herausbrechen aus der bürgerlichen Enge mit ihrer doppelbödigen Moral, ihrem auf den Schein gerichteten Lebensstil, ihrer Abkehr von der Natur. […]: die Freikörperkultur, die sich freilich damals ohne Verschämtheit Nacktkultur nannte.“

MÜLHAUSE-VOGELER, Therese, Wandervogel und Freikörperkultur, in: der ruf, 10/1963

Der Ausdruck „Freikörperkultur“ sei laut Mülhause-Vogeler erst aufgekommen, „als man genötigt war, sich von Abseitigen und in ihren Absichten undurchschaubaren ‚Werbern‘ für diese Idee zu distanzieren“. Mülhause-Vogeler spielt damit wahrscheinlich auf die völkische Nacktkulturbewegung an, die mit eugenischen Gründen für die Nacktheit argumentierten.

Die Vorderseite einer Ehrenmedaille der Internationalen Naturisten Föderation. Mülhause-Vogeler erhielt sie 1973 für ihren Einsatz für die FKK-Vereinigung. ©️ alle Rechte vorbehalten

Mülhause-Vogeleres Publikationen (Auswahl)

Therese Mülhause-Vogeler veröffentlichte duzende Publikationen zu den Themen Lebensreform und Freikörperkultur. Eine Auswahl:

  1. „Galathea. Eine Klassische Legende“, Verlag „Der Bund“, Nürnberg 1921
  2. Freie Lebensgestaltung. Ein Beitrag zur Neuformung des Lebensstiles, Lauer Verlag, Hamburg 1926
  3. Lebensrhythmus. Ein Beitrag zum Problem der Neubeseelung des Lebens, Karl Haug Verlag 1927
  4. Vom Wesen und Wert der Freikörperkultur. Eine grundsätzliche Darlegung, Lauer Verlag, Hamburg

Ihr 1926 verfasstes Essay „Freie Lebensgestaltung. Ein Beitrag zur Neuformung des Lebensstils” verhalf vielen FKK-Vereinigungen zur Namensgebung (z.B. „Liga für freie Lebensgestaltung“). Außerdem schrieb Mülhause-Vogeler den Roman „Der Prozeßmüller. Geschichte eines Bauerngeschlechts.“ (1943), einige Gedicht (veröffentlich in einem Gedichtband) und mehrere journalistische Essays. (Julia Preißer)

  1. Vgl. Jantzen, Hinrich, Namen und Werke. Biographien und Beiträge zur Soziologie der Jugendbewegung Bd.2, dipa-Verlag, Frankfurt 1974
  2. Vgl. Ebd.
  3. Vgl. Ebd.